Theodor Stöcker

Theodor Stöcker (1811-1878) war von allen Klavierbauern und Fabrikanten von Pianoforte, Tafelklavieren und Hammerflügeln einer der innovativsten, einer der verrücktesten im besten Sinne dieses Wortes, und er war mit Sicherheit derjenige, welcher neben Erard am meisten für die technische Entwicklung  der Hammerflügel, insbesondere der Mechanik und vieler heute wieder in Vergessenheit geratener Details getan hat.
 „Stöcker gehörte Mitte des 19. Jahrhunderts zu den besten Berliner Klavierbauern.“ (Speer). Seine Flügel weisen allesamt eine oberschlägige Mechanik auf, das heißt, die Saiten werden von oben angeschlagen und die Hämmer mittels eines komplizierten Federsystems wieder in die Ruhelage zurückgeführt. Die Oberschlägigkeit bewirkt eine größere Klangreinheit durch das fehlende Abheben der Saite aus den Schränkstiften des Steges beim Anschlag von unten und damit eine konstantere klingende Länge des schwingenden Saitenanteiles.  In der Fertigung jedoch waren seine Instrumente aufgrund der Detailversessenheit des Konstrukteures und des betriebenen Aufwandes sehr teuer. Stöcker war nach Nanette Streicher aus Wien, Jean Henri Pape aus Paris und Robert Wornum aus London der letzte Hersteller oberschlägiger Mechaniken.
Bei den stöckerschen Hammerfluegeln handelt es sich fast ausschließlich um Konzertfluegel, d.h. der Länge nach sehr große, konzerttaugliche Instrumente. Aus der Werkstatt Theodor Stöckers, welcher nach der Lehre bei Kisting in Berlin und Pape in Paris, auf welchen der Einfluß der oberschlägigen Mechanik zurückgehen dürfte, vom Ende der 1830er Jahre bis zur Schließung seiner Firma 1871 gingen bis auf wenige Ausnahmen nur Instrumente eines einzigen Typus, ein ca. 230 cm langer Konzertflügel mit oberschlägiger Mechanik in Palisander furniert hervor. Diese Mechanik, welche im Gegensatz zu allen anderen Mechaniken von oben der Schwerkraft folgend die Hämmer auf die Saiten prallen lässt, wurde im Laufe der Jahre kontinuierlich weiterentwickelt, wenngleich selbst die frühen Flügel in den Grundzügen die gleiche Mechanik besitzen.
Der Patron der ältesten deutschen Klavierfabrik Rudolf Ibach besuchte auf einer großen Rundreise am 29. Mai 1865 die Stöckersche Werkstatt und notierte in sein Tagebuch: "... zu Theodor Stöcker, Leipziger Straße, gegangen. Fabrikant von oberschlägigen Flügeln. Dieselben sind sehr schön gleichmäßig und wohlklingend, fast glockenartig. Stöcker macht im Diskant auf der Platte eine eigene Vorrichtung zur Bequemlichkeit des Stimmens(gemeint ist die Hinterstimmigkeit bei den späten Modellen), während die Stimmnägel an dieser Stelle nur zum Aufziehen der Saiten dienen. [...] Die Mechanik ist eigenthümlich und sehr compliciert. - Stöcker baut nur diese Sorte von Flügel in 2 Größen, arbeitet sehr solide, ist mit seinem Fache sehr vertraut, macht kein Aufsehen mit seinen Fabrikaten, verkauft aber dabei sehr viel, und macht gar nicht mit Händlern. Stöcker betreibt sein Geschäft so, wie man eine Pianofortefabrik eigentlich betreiben soll, aber heutzutage nicht mehr kann. Wenn Stöcker auf diese Weise ruhig fortarbeitet, so wird er bei dem Aufsehen und dem Geschrei, welches jetzt überall gemacht wird, der Welt bald unbekannt, und in sich selbst vergehen werden."
Theodor Stöcker arbeitete rein handwerklich, also nicht industriell wie etwa der zitierte Ibach und konzentrierte sich stringent auf die Konstruktion kompromissloser Konzertflügel wie es ähnlich eigentlich nur Sebastien Erard und der spätere Kopf der Firma Pierre Erard taten. Deswegen sind fast keine zwei konstruktiv und klanglich gleichartige Flügel selbst bei einander nahen Seriennummern zu finden.
Wie andere herausragende Klavierbauer z.B. Pleyel, Pape und Erard in Paris, und nach ihm Bechstein und Duysen in Berlin, unterhielt Theodor Stöcker einen eigenen Konzertsaal in der Kochstraße 57, um seine Instrumente konzertant dem Publikum näherzubringen. Konzerte sind von ca. 1844 bis in die Mitte der 1860er Jahre nachweisbar; für den Berliner Tonkünstlerverein war der Stöcker'sche Saal zugleich eine Art "Heimstatt". Nach dessen Fabrikschließung fanden die Konzerte bei Duysen eine neue Stätte.
Theodor Stöcker baute innerhalb von 33 Jahren etwas mehr als tausend Instrumente, es ist als letztes Exemplar die Opusnummer 1066 erhalten. Von allen gebauten Stöcckerschen Hammerflügeln sind nach Forschungen des Stöcker-Experten Heiko Schwichtenberg vielleicht vierzig erhalten. Wiederum nur ein Teil der erhaltenen Instrumente, etwa zehn,  befindet sich in spielfähigem Zustand.
Im Salon Christophori sind zwei dieser Flügel, die opera 1066 aus dem Jahre 1871, der letzte erhaltene Stöcker Flügel, welcher vollständig in der originalen Substanz erhalten ist, und 421 ausgestellt.